Erfolg

Erfolgreich verbessern & Probleme dauerhaft lösen —
Das Ishikawa-Diagramm
von Falko Graf - www.Falko-Graf.de

Erfolg entsteht, wenn es einem gelingt, Probleme, die andere nicht lösen können, einer  dauerhaften Lösung zuzuführen. Um dieses zu erreichen, ist es erforderlich, die Ursachen zu erkennen. Daher sollten erfolgreiche Führungskräfte einen wichtigen Gedanken verfolgen: Den von der Polikausalität der Ereignisse. Dieser hilft dabei, nicht nur das Problem selbst, sondern auch dessen Wurzeln zu erkennen und somit zu einer realistischen Lösung zu kommen. Bei der Beschreibung der Ursachen kann eine von Karuo Ishikawa entwickelte Methode sehr nützlich sein, die ich Ihnen hier vorstelle.

 

Die Polikausalität der Ereignisse

Polikausalität bedeutet: Alle Ereignisse, Probleme oder Zustände haben mehr als eine Ursache. Fast immer entstehen Situationen aus einer ganzen Reihe von Einflussfaktoren. Ändert man diese, so ändert man das Resultat. Oftmals spielen aber so viele Dinge eine Rolle, dass man möglicherweise den Überblick verliert und die eine oder andere Ursache übersieht. Ist es deshalb überhaupt möglich, komplexere Probleme in den Griff zu bekommen?

 

Ganzheitlichkeit

Ja, Probleme, die auf hochkomplexen Zusammenhängen beruhen, lassen sich durchaus in den Griff kriegen und lösen. Die einzige Bedingung ist, dass man sich einer ganzheitlichen Systematik bedient.

Ein Beispiel: Sie sind Führungskraft. Zwei Ihrer Mitarbeiter üben eine identische Tätigkeit an zwei exakt gleichen Maschinen aus. An Maschine X wird aber pro Schicht 10% mehr produziert als an Maschine Y. Ganzheitlich bedeutet nun, dass man nicht nur die technischen Ursachen betrachtet (z.B. Maschine defekt), sondern auch weitere relevante Faktoren einbezieht. Eine der vielen Möglichkeiten wäre, z.B. auch die Motivation des Mitarbeiters an Maschine Y zu betrachten. Wie stellt man aber sicher, dass man nichts vergisst? Durch Systematik...

 

Systematik

Eine systematische Herangehensweise würde bedeuten, dass man eine Liste aller möglichen Ursachen hat und nun das vorhandene Problem daraufhin analysiert. Da es aber zahllose unterschiedliche Probleme geben kann - potenziert mit der Anzahl möglicher Ursachen - wäre dies eine sehr sehr lange Liste. Diese Option ist also zeitaufwendig. Eine deutlich elegantere, systematische Herangehensweise wäre es, sich eine Anzahl von Kategorien zu überlegen, in denen man alle Problemursachen finden kann. Eine solche Option bietet das Diagramm des japanischen Wissenschaftlers und Begründers des Qualitätsmanagements Karuo Ishikawa.

 

Das Fischgräten-Diagramm von Ishikawa

Die möglichen Ursachen von Problemen jeglicher Art fasste Karuo Ishikawa (1915-1989), Professor an der Universität in Tokio, bereits in den 40ern des vorherigen Jahrhunderts zusammen. Er entwickelte sechs Kategorien, die im Deutschen alle mit dem Buchstaben „M“ beginnen (6M): Mensch, Management, Methode, Maschine, Material, Mitwelt. Im so genannten Fischgräten-Diagramm stellen diese 6M die Gräten dar (also die möglichen Ursachen) und der Kopf die Auswirkungen (also das Problem).

 

Das Fischgrätendiagramm wird daher auch als Ursache-Wirkungs-Diagramm bezeichnet. Die Ursachen sind im Einzelnen:


Prof. Dr Karuo Ishikawa (1912-1989)

 

 

  • Mensch
    Mensch bedeutet: Inwieweit spielen beteiligte Personen eine Rolle. Mitarbeiter, Kollegen, Vorgesetzte, Stakeholder (Interessengruppen), Familien der Mitarbeiter, ... alle? Alle könnten einen Einfluss haben. Alles, was sie als Person ausmacht, wirkt als Ursache: Ausbildung, Erfahrungsgrad, Wohlbefinden, Motivation, Know-how und vieles mehr.
     
  • Management
    Management bedeutet: Inwieweit spielen der/die Vorgesetzten, das Führungsverhalten, die Organisationsstruktur, offizielle und inoffizielle Vorgehensweisen, Fehlentscheidungen, usw. eine Rolle?
     
  • Methode
    Methoden sind Wege etwas zu tun, also Prozesse um eine Aufgabe zu erledigen. Möglicherweise sind diese Methoden ungeeignet - oder - sie sind geeignet, werden aber nicht befolgt.
     
  • Maschine
    Maschinen sind ebenfalls mögliche Problemursachen. Sie sind eventuell nicht leistungsfähig genug, defekt, schlecht gewartet, veraltet oder fehlen ganz.
     
  • Material
    Material ist etwas physisch Vorhandenes, mit dem oder an dem gearbeitet wird. Ist das Material einwandfrei? Falls nicht, liegen die Mängel dann wenigstens innerhalb eines akzeptablen Toleranzbereichs?
     
  • Mitwelt
    Mitwelt ist alles, was von außen auf das betrachtete System einwirkt: Berichte in der Presse, das Wetter, die Gesetzgebung, Konkurrenten, Betriebsratsvereinbarungen, Absprachen und anderes mehr.
 
 

 

Variationen des Ishikawa-Diagramms

Nicht immer sind alle sechs Faktoren ausreichend, um die Ursachen zu beschreiben. In Bereich der Produktion sind die Faktoren Mensch, Methode, Material und Maschine einflussreicher, im administrativen Bereich dagegen eher Management und Mitwelt. Deshalb ist es oftmals sinnvoll, sich gleich eigene "Gräten" zu suchen (z.B. ein siebtes M für Messung). Das hat den Vorteil, dass das selbst erdachte Fischgrätendiagramm maßgeschneidert auf die betreffende Problemstellung ist. Kleiner Tipp: Häufig verwendet werden auch die 4P (Place, Procedures, People, Policies – Ort, Abläufe, Menschen, Vorgehensweisen) und 4S (Surroundings, Suppliers, Systems, Skills – Umgebung, Zulieferer, Systeme, Fähigkeiten). Obendrein gibt es noch eine Reihe anderer Formulierungen der 5-M-Methode, z.B. Man-Power, Method, Milieu, Matter und Means - Mensch, Methode, Umfeld, Sache/Material, Maschine/Mittel/Vorgehensweise/Werkzeug.

 

 

Die gewählten Kategorien wie die 6Ms können als Schlüsselfaktoren gesehen werden, zu denen es auch wieder Ursachen gibt. Es empfiehlt sich daher mit einer geeigneten Gruppe von Mitarbeitern ein Brainstorming zu den einzelnen sechs Schlüsselfaktoren zu machen, um alle diese Unter-Ursachen zu finden. Dadurch wird der Fisch zu einer Art Mindmap.

 

Die erweiterte Darstellung mit den einzelnen Unter-Ursachen wird in Anlehnung an Mindmaps daher auch als Cause Map (Landkarte der Ursachen) bezeichnet.

 

 

Ein Beispiel

Das Problem: Ein Schiff einer Reederei fährt vom Hafen A zum Hafen B langsamer als andere Schiffe derselben Reederei. Nehmen wir an, die 6M würden hier passen. Dann gäbe es in den sechs Kategorien dem Beispiel folgend diese möglichen Unter-Ursachen:

 

  • Mensch: Der Kapitän ist inkompetent
  • Management: Kapitän und Beladungsmannschaft streiten sich, wie beladen werden muss.
  • Methode: Günstige Meeresströmungen und Winde werden nicht genutzt.
  • Maschine:Das Schiff ist weniger Leistungsstark oder defekt.
  • Material: Das Schiff tankt schlechteren Kraftstoff.
  • Mitwelt: Der Kapitän kennt Klippen, die den anderen unbekannt sind und umfährt sie.

 

Fazit

Unabhängig davon, ob man sich für 6M, 4P, 4S oder ein maßgeschneidertes Grätenmuster entscheidet, eines steht fest: Das Fischgrätendiagramm bietet zahllose Anwendungsmöglichkeiten im Qualitätsmanagement, beim kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP), zur Klärung komplexer Fragestellungen des Projektmanagements, zur Effizienzsteigerung in der Logistik, als Kreativitätstechnik, zur Ideengenerierung, zur Problemlösung, für die Ursachenforschung, als Erweiterung zur Technik des Mindmappings oder um im Selbstmanagement herauszufinden, warum die Karriere noch nicht so richtig läuft...

 

Ishikawa hat Manager immer wieder zu der Erkenntnis gedrängt, dass es viele Möglichkeiten gibt, Bestehendes zu verbessern. Er gilt daher als einer der geistigen Väter des firmenweiten Qualitätsmanagements und auch des Konzepts der Qualitätszirkel. Sein Fischgräten-Diagramm wird als effizientes Werkzeug für bottom-up-Verbesserungsprozesse eingesetzt, also immer dann, wenn man bemüht ist, alle Ursachen von Imperfektionismus im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zu finden.

 

 

Der Verbesserungsprozess

Die praktische Vorgehensweise in Kurzform:
 

1.       Finden!
Finden und beteiligen Sie geeignete Menschen an der Problemlösung. Laden Sie etwa 5-9 Leute ein.
 

2.       Anzeichnen!
Zeichnen Sie ein Fischgrätendiagramm auf ein Flipchart, ohne die Gräten zu beschriften. Allein die Tatsache, dass nun ein Fischgerippe zu sehen ist, fesselt erfahrungsgemäß bereits die Anwesenden. Noch ein kleiner Tipp, falls das nicht klappt: Lassen Sie die Schwanzflosse weg und sagen Sie, das Angezeichnete solle ein Schlüssel sein: Der Schlüssel zur Lösung des Problems!
 

3.       Klären!
Klären Sie, was ganz genau das Problem ist, das untersucht werden soll. Schreiben Sie eventuell einen geeigneten Begriff an den Kopf des Fisches. Erläutern Sie, dass die Gräten die Ursachen dieses Problems darstellen.
 

4.       Beschriften!
Führen Sie ein kleines Brainstorming durch oder eine andere Ideen-Generierungs-Technik, um die wesentlich Problemursachen herauszufinden, und beschriften Sie die Gräten mit diesen. Alternativ können Sie die Gräten auch mit den oben genannten 6M, 4P oder 4S beschriften.
 

5.       Fragen!
Fragen Sie die Anwesenden innerhalb jeder Ursache/Gräte "Warum passiert das?“ und finden Sie so die Unter-Ursachen heraus. Fragen Sie so lange, bis keine Antwort mehr kommt und/oder die Anwesenden der Auffassung sind, dass eine angemessene Menge an Ursachen genannt worden ist.
 

6.       Erkennen!
Vermutlich werden Sie und die Anwesenden nun erkennen, wie komplex das Problem ist, und jeder wird sich eingestehen, dass er im Alleingang die eine oder andere Ursache vergessen hätte. Sollte eine Unter-Ursache an mehreren Gräten vorkommen, scheint diese von höherer Bedeutung zu sein. Sollten an einer einzigen Gräte weitere Verästelungen ("Unter-Unter-...Unter-Unter-Ursachen") sein, so empfiehlt es sich, diesen Bereich separat zu untersuchen.
 

7.       Verbessern!
Das ganze dient natürlich nicht der Unterhaltung. Ziel ist ja die Problemlösung. Daher sollte im nächsten Schritt eine konkrete Maßnahmenplanung zu jeder einzelnen Unter-Ursache erfolgen. Fragen sie jeweils: "Was kann man hier verbessern?" und verbindlich "Wer macht das mit wem bis wann?". Dieser 7. Schritt ist der wichtigste. Ohne ihn bleibt das Ganze ein maßnahmenloses Gespräch ohne Daseinsberechtigung.

 

 

 

Von der Wertung zur Wahrnehmung

Zum Schluss noch ein grundlegender Gedankengang: Werten Sie nicht! In dem Moment, in dem wir eine Situation als Problem einstufen, werten wir. Wir halten die Situation – bewusst oder unbewusst – für negativ. Auch der entgegen gesetzte Weg, alles euphemistisch und positiv beschreiben zu wollen - "Das Problem als Chance!" - bedeutet Wertung. Statt zu werten ist es hilfreicher, wenn wir eine Situation neutral und mit allen ihren Komponenten (Fischgräten!) wahrnehmen.

 

Viel Erfolg beim Fischgräten suchen!
 

Ihr Falko Graf, M.A.

 

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